Grietje van der Veen - Textile Art

 

 

 

Grietje van der Veen zählt zum Kreis der international renommierten Quilt- und Textilkünstlerinnen, deren Quilts seit über 10 Jahren in verschiedenen Ausstellungen zu sehen waren. Grietje ist in den Niederlanden geboren und aufgewachsen. Seit 1962 lebt Grietje in der Schweiz und ihre Kräfte wurden zunächst von Kindern, Haushalt und einem Studium der Philologie beansprucht. 1996 entdeckte sie das Quilten für sich und seither lässt sie die Textilkunst nicht mehr los. Zunächst baute sie auf den früheren Kenntnissen auf und brachte sich selbst durch Literaturstudium viel bei, bildete sich dann durch Kurse bei namhaften Künstlern weiter und seit 2000 sind ihre Quilts in verschiedenen Gemeinschaftsausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Seit 2002 unterhält sie ein Atelier in der Nähe von Basel und bietet dort auch Workshops an. Von 2006 – 2010 war sie im Vorstand von patCHquilt, der Vereinigung Schweizer Quilter, tätig und betreute über drei Jahre die Vereinszeitschrift redaktionell.

 

Anlässlich einer Ausstellung besuchte ich Bern 2006 und, wie konnte es anders sein, dort liefen wir uns in einem Café in der Marktgasse zum ersten Mal über den Weg – es folgten viele weitere Begegnungen.

 

Anlässlich ihrer Soloausstellung beim Europäischen Patchworktreffen in Ste Marie-aux-Mines 2008 erschien der erste Katalog mit Grietjes beeindruckenden Werken, dem zwei Jahre später ein weiterer folgte. Es war mir eine besondere Freude, beide Kataloge zu rezensieren. Die Rezensionen sind hier zu finden.

 

Zwei Jahre lang nahm Grietje erfolgreich am Quilt Judging Course der britischen Gilde teil und erhielt eine Ausbildung als Jurorin.

 

Erst kürzlich kreuzten sich unsere Wege wieder, und diesmal arbeiteten wir zusammen. Die Patchwork Gilde Deutschland e.V. fragte fünf Quilterinnen an, um aus den Einreichungen zur Ausschreibung „Tradition bis Moderne“, die alle drei Jahre den Mitgliedern eine renommierte Ausstellungsmöglichkeit bietet, die ausstellungswürdigen Werke auszuwählen. Es war mir ein großes Vergnügen, und ich habe viel dabei gelernt.

 

Nun haben wir beide für das Festival of Quilts in Birmingham im August 2011 alle Hände voll zu tun. Während ich dort die von mir organisierte Ausstellung „Textile News:  Freiheit · Liberté · Freedom“ präsentieren werde, folgt Grietje einer Einladung zu einer weiteren Einzelausstellung. Es ist und bleibt spannend!

 

 

19 Fragen an Grietje van der Veen:

 

Gudrun: Wo siehst Du Dich und Deine künstlerische Arbeit in, sagen wir mal 3 - 5 Jahren?

Grietje: Ich denke, meine Liebe zur Natur wird weiterhin meine Kunst beeinflussen. Vielleicht ist schon jemandem aufgefallen, dass in meinen Werken keine Menschen und Tiere vorkommen. Man erkennt aber trotzdem den Einfluss der Menschen (Holzbeigen, Weinstöcke etc). Ich denke, dass der (mangelhafte) Umweltschutz sich vermehrt ins Zentrum meines Interesses rücken wird. Auch merke ich, dass meine Art Fotoquilts zu machen, mich nicht ganz befriedigt. Da muss ich noch schwer an mir arbeiten.

 

 

       
  "Off Season"   "Schwarze Nehrung"   "Donau Delta"  

 

 

Gudrun: Gibt es in Deinem Werdegang oder Deiner Ausbildung Elemente oder Einflüsse, die Dir halfen dahin zu kommen, wo Du heute stehst?

Grietje: Meine kindliche Bewunderung für eine heiß geliebte, um Jahre ältere Cousine hat meine Liebe zum Stricken, Nähen und Sticken fürs Leben geprägt. Sie hat mir als Knirps alles beigebracht. Ich schulde ihr unendlich viel.

 

Gudrun: Du bist Autodidaktin, immer noch?

Grietje: Das liegt daran, wie man Autodidaktik definiert. Ganz bestimmt habe ich in den ersten Jahren meiner Quiltkarriere mir selber alles beigebracht. Erst später habe ich Kurse in – alternativen – Techniken genommen. Nach längerer Kurs-Abstinenz habe ich jetzt wieder vermehrt angefangen, Kurse zu belegen. Ich lerne aber auch weiterhin aus der einschlägigen Fachliteratur. Ich muss ja auch als Jurorin mit neuen Techniken vertraut sein.

 

Gudrun: Wo findest Du Deine Ideen, was inspiriert Dich?

Grietje: Meine Ideen finde ich hauptsächlich beim Spazieren/Wandern. Ich halte dabei alles Interessante mit dem Fotoapparat fest. Skizzen mache ich keine. Die finde ich ohnehin nicht mehr. Die Fotos sind im PC gespeichert und können somit nicht verloren gehen.

 

Gudrun: Hast Du bevorzugte Themen, denen Du Deine Arbeiten widmest?

Grietje: Natur-Natur-Natur: hauptsächlich Bäume und Wasser. Am liebsten zusammen in einem Werk. Bäume sind archaisch und wurden in vielen alten Kulturen und Religionen als Sitz der Götter oder anderer übernatürlicher Wesen verehrt. Wasser ist eine elementare Voraussetzung für das Leben auf der Erde.

 

 

       
  "Treebark IV"   "Who Needs Nature Anyway"   "Sunset at Tekaha"  

 

 

Gudrun: Hast Du eine bevorzugte Farbpalette?

Grietje: Meine Farbpalette passt sich den Vorlagen an. Bäume sind meistens in einer grün-braunen Palette gehalten. Wasser in Grün-Blau. Ich schaue aber immer darauf, dass die „Temperatur“ nicht langweilig wird. Das heißt, ein in vorwiegend kaltem Blau-Grün gehaltenes Werk enthält immer auch einige Tupfer in warmen Farben und umgekehrt. Ich habe auch eine große Vorliebe für Weiß. Meine weißen Werke sind meistens ganz schlicht gehalten. Für mich sind sie ein beruhigendes Innehalten nach mehreren üppigen Werken.

 

Gudrun: Welche Techniken sind Dir die liebsten?

Grietje: Ich komme am liebsten immer wieder auf die Bearbeitung von gefärbtem Vliesofix und Tyvek zurück. Die Materialien sind für mich noch nicht ausgeschöpft. Vliesofix erlaubt mir eine größere Treffsicherheit in den angestrebten Farben, was mir nicht immer beim Färben der Stoffe gelingt. Gerade jetzt bin ich dabei, eine Blumenwiese zu kreieren, deren Hintergrund mit Vliesofix belegt ist. Die aufgelegten Stoffreste und aufgestickten Garne verdecken zwar den größten Teil des Vliesofix wieder, aber ich habe damit die Farbpalette festgelegt, die mir hilft die passenden Garne auszusuchen.

 

Gudrun: Färbst Du Deine Stoffe selbst? Verfolgst Du dabei ein bestimmtes Ziel?

Grietje: Ich färbe ab und zu Stoffe mit Reaktivfarben. Ich habe dabei kein bestimmtes Ziel vor den Augen. Ich färbe meistens zwei bis drei Tage hintereinander, oft auch die kommerziellen Stoffe, die ich in meinen ersten Jahren als Quilterin in Sammelwut gehamstert habe. Das Färben wird jedoch kaum eine Leidenschaft von mir werden, denn mir liegt das genaue Ausrechnen der Gewichtseinheiten der Reaktivfarben nicht.

 

Gudrun: Deine Arbeiten zeichnen sich unter anderem durch eine reiche Handstickerei aus. Kannst Du dazu etwas erzählen?

Grietje: Ich liebe plastische Arbeiten. Da kommt mir das Sticken – und auch Tyvek – entgegen. Hauptsächlich aber komme ich beim Sticken zur Ruhe. Da ich ohne einen bestimmten Plan sticke, und die Stickereien sehr einfach gehalten sind, finde ich Zeit, über vieles nachzudenken. Sticken enthält ein meditatives Element. Ich sticke hauptsächlich abends, sozusagen nach der Arbeit. Womit ich meine, dass ich Sticken nicht als Arbeit betrachte, im Gegensatz zum Maschinenquilten, das ich schon fast als Stress empfinde. Normalerweise gehe ich nach dem Sticken nochmals mit der Maschine über die Handstickereien. Das erhöht die Strukturen.

 

 

       
  "Pathmos" - Detail   "Pinus"   "Am Waldrand" - Detail  

 

 

Gudrun: Wie entscheidest Du, welche Technik Du für die Umsetzung eines bestimmten Themas einsetzt?

Grietje: Das ist ein langer Prozess, der über mehrere Wochen gehen kann. Meistens mache ich Proben mit in Frage kommenden Materialien und halte die Resultate in Notizen fest, bevor ich mich entscheide.

 

Gudrun: Welche (Näh-)Maschine(n) benutzt Du?

Grietje: In meinem Kursraum stehen fünf Berninas: zwei Artistas, eine Virtuosa und zwei 130. Im privaten Atelier steht eine 820.

 

Gudrun: Wie sieht Dein Atelier aus?

Grietje: Beide Ateliers sind ähnlich. Sie sind sehr geräumig und befinden sich unter dem Dach einer ehemaligen Ziegelei. Mehrere Dachfenster sorgen für genügend Licht. Vom Privatatelier sehe ich auf einen Wald und ein kleines Naturschutzgebiet, wo im Sommer Störche in Tümpeln stehen und schottische Hochlandrinder grasen. Vom Kursraum sieht man übers ganze Dorf Oberwil. Ich kann nicht sagen, welchen Blick ich mehr genieße.

 

Gudrun: Gibt es Publikationen über Dich und Dein Werk?

Grietje: Werke von mir gibt es in mehreren Ausstellungskatalogen, von Ausstellungen, in denen ich vertreten war. Viele meiner Arbeiten wurden in verschiedenen Zeitschriften und Büchern abgebildet. Zudem habe ich zwei Kataloge im Eigenverlag herausgegeben. Im deutschen Gildeheft habe ich nach meiner Ausbildung als Jurorin einen Bericht über den Lehrgang geschrieben, ein Thema, das viele Quilterinnen offensichtlich sehr interessiert. So bat die Zeitschrift „Patchwork Professional“ mich um ein Interview über meine Erfahrungen beim Jurieren. Das Heft mit dem Interview ist Ende Januar 2011 erschienen. 

 

 

       
 

Katalog 2008 - zur Rezension

  "The Power of Nature"   Katalog 2010 - zur Rezension  

 

 

Gudrun: Verkaufst Du Deine Arbeiten?

Grietje: Ich habe keine Mühe damit, meine Werke zu verkaufen. Wenn sie fertig sind, löse ich mich (meistens) auch sofort emotional davon. Das nächste Werk ist dann schon im Kopf und verdrängt alles andere. Der Markt für textile Werke ist jedoch in Europa sehr klein. Kunden zu erreichen ist im Allgemeinen nicht einfach. Werke werden meistens nur dann gekauft, wenn sie zu Spottpreisen angeboten werden, wozu ich konsequent nicht bereit bin. Somit wäre ich längst verhungert, wenn ich nur vom Verkauf meiner Arbeiten leben müsste.

 

Gudrun: Du hast gerade Dein Kurs- und Workshopangebot erweitert. Erzähl mir bitte etwas dazu.

Grietje: So gerne ich meine Kunst auch ausübe, so weiß ich doch, dass das alleine eine ziemlich einsame Sache wäre. Ich brauche von Zeit zu Zeit Menschen um mich, von denen ich auch lernen kann. Und ich brauche immer wieder neue Herausforderungen. Als ich die Redaktionsarbeit bei patCHquilt aufgab, hatte ich wieder mehr Zeit für Kurse. Da ich früher lediglich drei verschiedene Kurse gegeben hatte, fürchtete ich, dass ich damit schon alle Textilschaffenden in der Schweiz erreicht hatte (was übrigens nicht stimmt, wie ich gemerkt habe) und suchte neue Themen. So besann ich mich auf die Techniken, mit denen ich außerhalb meines künstlerischen Tätigkeitsfeldes ebenfalls experimentiert hatte. Shibori zum Beispiel ist eine spannende Reservierungstechnik, die ich schon öfters für meine Seidenschals verwendet hatte. Es bot sich geradezu an, sich intensiv damit zu befassen. Oder die vor drei Jahren erstmals in meiner Ausstellung im Val d’Argent gezeigten Werke mit gerollten Stoffstreifen. Letztere bieten ungeahnte Möglichkeiten, dreidimensional verarbeitet zu werden. Immer, wenn es nichts zu sticken gibt, rolle ich abends vor dem Fernseher meine Stoffstreifen. Das sind nur zwei Beispiele für meine neuen Kurse.

 

 

       
  "On the Forest Track I"   "Ried" - Detail   "On the Forest Track II"  

 

 

Gudrun: Deine nächste(n) Ausstellung(en)?

Grietje: In diesem Jahr habe ich eine Einzelausstellung beim Festival of Quilts in Birmingham. Die Vorbereitungen dazu sind so zeitintensiv, dass ich neben der Kurstätigkeit für weitere Ausstellungen keine Zeit mehr habe. Für 2012 bin ich für je eine Einzelausstellung in Veldhoven (NL) sowie bei den Patchworktagen der Deutschen Gilde in Einbeck angefragt worden.

 

Gudrun: Grietje als Jurorin … Einflüsse auf die gegenwärtige Quiltszene?

Grietje: Ich glaube kaum, dass eine Einzelperson die Quiltszene verändern könnte. Ich glaube eher an Strömungen, die von vielen getragen werden. So beobachte ich eine immer größer werdende Kluft zwischen traditionell und modern. Der Spagat, den Veranstalter und Juroren machen, um beide Teile der Textilkunst zusammenzuhalten, scheint mir immer größer zu werden. Auch unter den Quilterinnen spürt man ein Unbehagen. Viele traditionell Arbeitenden reichen ihre Werke gar nicht bei einem Wettbewerb ein, weil sie meinen, sie hätten gegenüber den modern Arbeitenden ohnehin keine Chance. Viele modern Arbeitenden fühlen sich mittlerweile eher als Künstlerin und versuchen, sich von der Quiltszene abzusetzen. So bleibt ein reduziertes Feld von Quilterinnen, die an Wettbewerben teilnehmen. Schade eigentlich. Warum nicht einen mutigen Schritt machen und getrennte Wettbewerbe organisieren? Das wäre auch für Juroren einfacher. Die Beurteilungskriterien, die für beide Sparten gelten, sind eher auf traditionelle Quilts zugeschnitten. Um es mal ketzerisch auszudrücken: Man sollte aufhören, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

 

 

       
 

"Birke"

 

"Layers"

 

"Tree of Life"

 

 

 

Gudrun: Mal angenommen, Du hättest einen Tag / ein paar Tage / ein paar Wochen lang nichts zu tun und Zeit. Was würdest Du tun?

Grietje: Einen Tag: mit einem spannenden Buch im Bett; ein paar Tage: mit meiner Tochter eine mehrtägige Wanderung in der Schweiz (nächste Etappe(n) unserer Wanderung, den Jakobsweg entlang); ein paar Wochen: nochmals nach Neuseeland, die Nordinsel besser erkunden als beim ersten Mal.

 

Gudrun: Irgendetwas, was ich vergessen habe?

Grietje: Nein, ich habe meine Seele schon genügend herausgekehrt

 

 

Liebe Grietje, vielen herzlichen Dank für Deine Bereitschaft zu diesem Interview. Es war mir wirklich eine außerordentliche Freude, mit dir zusammenzuarbeiten. Vielen Dank.

 

 

Mehr Info über Grietje van der Veen finden Sie auf ihrer Website: www.textileart.ch

Kontakt zur Künstlerin

 

Bericht im BERNINA blog

 

Quilt-Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Grietje van der Veen, © 2011.

Sonstige Fotos: Gudrun Heinz

 

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